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Christine Eichel
2014, gebunden, 448 Seiten

Beschreibung
ISBN 978-3-89667-516-3
Beschreibung
Aufopferungsvolle Pädagogen, faule Beamte oder Sündenböcke einer verfehlten Bildungspolitik – was sind Lehrer heute?
Deutschlands Lehrer sind besser als ihr Ruf - aber sie werden von der Politik allein gelassen, von der übergroßen Anspruchshaltung der Eltern überfordert und an den Hochschulen mangelhaft auf die Praxis vorbereitet. Über die Hälfte der Lehrer steht stark unter Stress und klagt über von emotionale Erschöpfung. Auf der Basis neuer Konzepte von Pädagogen, Bildungsexperten und Hirnforschern zeigt Christine Eichel Wege auf, wie der Beruf des Lehrers – deren Wirken für den Lernerfolg der Schüler das wichtigste Moment überhaupt ist – neu bestimmt werden kann.
Die Autorin:
Christine Eichel, 1959 geboren, hat Philosophie, Literatur- und Musikwissenschaft studiert und wurde mit einer Arbeit über Theodor W. Adorno promoviert. Sie war Fernsehregisseurin, Moderatorin, Gastprofessorin der Universität der Künste Berlin und leitete die Kulturressorts der Magazine Cicero und Focus. Sie hat zahlreiche Romane und Sachbücherveröffentlicht. Zuletzt erschien „Das deutsche Pfarrhaus. Hort des Geistes und der Macht“ (2012). Sie lebt als Autorin und Publizistin in Berlin.
Rezension
Schonungslose Darstellung der Realität
Schon wieder ein Buch über die faulen Säcke als Ursachen für schlechte Noten und schlechte Schulen, über die Mobbingopfer und die Burn-Out Patienten von einer, die nicht aus der Schulpraxis kommt? Nein!
Christine Eichel hat viel recherchiert, wagt einen objektiven Blick von außen und zeichnet eine schonungslose Analyse des Bildungsnotstandes, an dem Deutschlands Lehrer nicht alleine schuld sind. Keine Schuldzuweisung an die, bei denen das Unbehagen ebenso groß ist, wie die Resignation auf andren Seiten. Sie beleuchtet die Situation in unseren Schulen von verschiedenen Seiten und spart in ihrer Analyse niemanden aus. Es ist keine neue Attacke gegen die öffentliche Schule. Sie plädiert für eine Kultur der gegenseitigen Achtsamkeit, um eine neue Beziehungskultur aufzubauen für einen wichtigen Lebensraum, nicht für eine Wissensfabrik Schule. Sie sieht ihr Buch als Qualitätsoffensive gegen ein allseits immer wieder gescholtenes Notstandsgebiet.
Im Mitteilpunkt steht dabei der Pädagoge als wichtige Bezugsperson, der Neugier und Wissensdurst der Schüler aufgreifen und fortentwickeln soll.
Christine Eichel gelingt es, die vielfältigen Probleme des Bildungssystems Schule darzustellen. Sie hat Vorschläge, den haarsträubenden Anachronismus zu ändern und erkennt sehr gut, dass sich die Zukunft unserer Kinder im Klassenzimmer entscheidet, nicht in den politischen Entscheidungsgremien mit immer wieder neuen organisatorischen Veränderungsdekreten. Sie möchte eine Reform von innen, nicht von außen, denn die in den Bildungseinrichtungen agierenden Menschen sind Beziehungswesen in wichtigen sozialen Konstellationen. Die Autorin gibt grundsätzliche Hinweise, vor allem für Anfänger im Lehrerberuf, aber auch für solche, die nach Jahren der stupiden Routine nachdenkenswerte Reflektionen benötigen. Sie liefert viele praktische Beispiele für Veränderungen. Dieses Buch sollte zur Grundlagenliteratur in Studium und Praxis gehören, weil Bildung durch Bindung entsteht. Sie warnt vor dem gleichförmigen, normierten Angebot des Systems Schule ohne Rücksicht auf die Kunden. Der Umgang mit den immer problematischer werdenden Schülern darf nicht in einen Zweikampf ausarten. Sie diskutiert den "Outgroup-Homogeneity-Effekt“, den Autoritätsbegriff im Spannungsfeld von Lernen, Erziehen und Disziplin, den täglichen Klassenkampf der Referendare zwischen Überlebenstechniken und Nervenzusammenbruch, einer Verunsicherung und Ahnungslosigkeit, das Ringen um Selbstbehauptung, den Spagat zwischen Conferencier und Löwenbändiger.
Auch der Exkurs in andere Länder fehlt nicht. Christine Eichel wendet sich gegen die Lehrerbeschimpfungen seitens der Besserwisser, die soziale Ächtung dieser Berufsgruppe, diskutiert die Feminisierung des Lehrkörpers und deren Entwicklung vom Hauslehrer zum Bildungsvollzugsbeamten. Sehr kritisch setzt sie sich mit den bundesweiten Qualitätsoffensiven, den Auswahlverfahren und den Lehrinhalten in Studium und Referendariat auseinander. Die Leiden vieler Pädagogen, die Gefahren eines Burn-out, zunehmender Vorruhestand, Mobbing und teilweise strenge Hierarchien bergen große Gefahren für unser Bildungswesen. Neben Lehrern mobben nicht nur Politiker, Schulaufsichtsbeamte, Schulleitung, Personalräte, Gewerkschaften, Kollegen, Amtsärzte und Verwaltungsrichter, sondern ebenso viele Eltern. In der Schule sollen die Opfer elterlicher Versäumnisse und Überforderungen therapiert werden. Christine Eichel beschreibt jedoch auch Erfolgsmodelle, die Hoffnung machen, wo Teamgeist und Schulgemeinschaft nicht nur bei Lehrern, sondern vor allem bei den Schülern zu anderen Lernformen, veränderten Schulstrukturen und einem Rollenwechsel der Lehrer geführt haben. Die Schule der Zukunft, wo jeder Lehrer etwas bewegen kann, als Spieler, als Multitasker und Teamplayer, eine Schule mit verstärkter Selbstorganisation. Dieses Buch bietet eine schonungslose Darstellung der Realität und sollte auch von Kultusministern, den Professoren an den Universitäten, aber auch von Schulpsychologen in gleichem Maße abschnittweise mit ständigen Reflexionen der eigenen Praxis gelesen werden. Wer dieses Buch gelesen hat und noch immer den Wunsch verspürt selbst Lehrer zu werden, der ist in der Schule richtig, wird dort zur Sanierung dieses Notstandsgebietes dringend gebraucht. Dieses Buch gehört jedoch auch dorthin, wo Lehrkräfte von ihren Leiden geheilt werden sollen, jedoch nicht die Ursache ihrer Leiden verändert werden kann, nämlich das System Schule.
Hartmut Jacobs (Stegen)
Aus HörgeschädigtenPädagogik 4/2014