Vorwort
Vorwort zur 1. Auflage 1990
Der vorliegende Leitfaden stellt zum einen eine Zusammenfassung der Ergebnisse unterschiedlicher Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Psychologie und Soziologie Hörbehinderter dar. Hier sind insbesondere die Studien von Richtberg (1980) sowie von Claußen und Schuck (1989) zu nennen. Darüber hinaus liegen dieser Arbeit vielfältige Erfahrungen und Beobachtungen zugrunde, die der Verfasser selbst in der Unterrichtung hörgeschädigter Kinder, Jugendlicher und Erwachsener sowie im Umgang mit ihnen gemacht hat.
Außer einem Überblick der sozialen Eingliederung Hörgeschädigter aller Altersbereiche vermittelt das Kapitel 1 dem Hörgeräteakustiker Informationen darüber, welche möglichen Folgen die auditive Leistungsminderung in psychologischer und sozialer Hinsicht nach sich ziehen kann. Fundierte Kenntnisse in diesem Bereich ermöglichen ihm ein verständiges und flexibles Verhalten im Umgang mit dem Kunden. Zudem kann er dem Hörgeschädigten über die Versorgung mit Hörhilfen hinaus ein kompetenter Ratgeber sowohl im versorgungsrechtlichen Bereich als auch durch Hinweise auf weiterführende pädagogische Hilfen sein. Er demonstriert auf diese Weise eindrucksvoll, dass er das Anliegen des Kunden zu seinem Anliegen macht.
Die Tatsache, dass der überwiegende Anteil hörgeschädigter Menschen im höheren Lebensalter ist, macht eine Auseinandersetzung mit altersbedingten Veränderungen menschlichen Erlebens und Verhaltens notwendig. Insbesondere die Veröffentlichungen von Lehr (1984) und Wirsing (1987), die eine Vielzahl von Einzelstudien der Altersforschung zusammenfassend darstellen, sind hier wertvolle Informationsquellen. Angewandt auf die besondere Situation Hörgeschädigter ergeben sich eine Reihe von Hinweisen, die es bei der Hörgeräteanpassung, Geräteeinweisung und Beratung zu berücksichtigen gilt. Dies ist Gegenstand des Kapitels II.
Nicht nur vor dem Hintergrund eines sich verändernden Leistungskataloges der Krankenversicherungen, sondern auch angesichts einer erhöhten Anbieterkonkurrenz hat sich der Hörgeräteakustiker in Zukunft auch seiner Verkaufstalente zu besinnen. Zudem melden sich endlich (!) die Hörgeschädigten zu Wort und fordern selbstbewusst, als Kunde statt als Patient angesehen und behandelt zu werden. Als »König« Kunde erwarten sie ein Mehr an Leistung und Information. Dass im Bereich der Kunden»pflege« im oben beschriebenen Sinn Defizite zu verzeichnen sind, tritt mehr und mehr auch ins Bewusstsein der Branche selbst. Vorstellungen und Forderungen der brancheninternen Arbeitsgruppe »Praktische Psychologie«1, Auswertungen von Hospitationen des Verfassers in einer Reihe von Hörgeräteakustikerbetrieben und Erkenntnisse der allgemeinen Verkaufs- und Werbepsychologie werden im letzten Kapitel dieses Leitfadens zusammengeführt. Fazit ist, dass nur der gut bediente, zufriedene Kunde langfristig das Geschäft sichert. Verkaufs- und beratungspsychologische Grundkenntnisse des Hörgeräteakustikers sind demnach im beiderseitigen Interesse!
Winsen/Luhe, im November 1989 Johannes Eitner
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\' Unter Mitarbeit des AHA-Arbeitskreises »Praktische Psychologie« Lübeck 1986, 1987: Käthe Geers U, Martin Kind, Christa Köttgen, Helga Müller, H. G. Schmitt U, Johannes Eitner
Vorwort zur 2. Auflage 1996
Hörgeräteakustiker ist ein Handwerksberuf - ein junger und moderner, wie man weiß - ein besonderer, wie ein Blick auf den Katalog der Ausbildungsfächer deutlich macht. Dabei liegt die Besonderheit nicht nur in der auffallend breiten Fächerung der Lernbereiche. Sie äußert sich auch durch die Präsenz zweier Fächer, die sich in der Fülle der technischen, audiologischen und kaufmännischen Stoffvielfalt beinahe exotisch ausnehmen - die Psychologie und die Soziologie.
Betrachtet man allerdings das Tätigkeitsfeld eines Hörgeräteakustikers genauer, so erschließt sich einem sehr schnell, wie unverzichtbar Grundkenntnisse der psychischen und sozialen Situation Hörgeschädigter in der Ausübung dieses Handwerksberufes sind: Hörgeräteakustiker arbeiten in einer Dienstleistungsbranche; sie erbringen Leistungen gegenüber einer besonderen Kundschaft; sie verkaufen Waren, die besonders sind, und kommunizieren mit ihren Kunden in einer besonderen Art und Weise. Auf diese Besonderheiten müssen sie vorbereitet werden. Gefragt sind spezielles Wissen und spezielle Fähigkeiten. Im Sinne einer wohlverstandenen Professionalisierung darf das Verfügen über entsprechende Kompetenzen nicht dem Zufall oder allein der Eigeninitiative überlassen werden! Deshalb gilt es, nicht nur eine auf hohes fachliches Können gerichtete Sachkompetenz, sondern auch eine angemessene psychologische und soziale Kompetenz zu erwerben: Mit wem habe ich es da eigentlich zu tun? Welches Anliegen hat mein Gesprächspartner wirklich? Welchen Beratungsbedarf hat er, und wie kann ich diesem gerecht werden? Wie führe ich unter diesen Bedingungen ein Gespräch? Welche Möglichkeiten habe ich, den zu mir kommenden Ratsuchenden zur Annahme seiner Behinderung zu ermutigen, ihn zum Tragen der Hörgeräte zu motivieren? Diese und andere Fragen sind Anlass und Ausgangspunkt zu einer Erörterung und Darlegung der psychischen und sozialen Situation Hörgeschädigter, alternsbedingter Veränderungen menschlichen Erlebens und Verhaltens sowie kommunikationspsychologischer Erkenntnisse und Grundsätze.
Dass die aufgezeigten Aspekte und Aufgaben elementar zum Berufsbild des Hörgeräteakustikers gehören, belegen inzwischen auch die CETA-Festlegungen und die BIAP-Empfehlungen zur Hörgeräteversorgung in Europa (1991,1992, 1993). Wie ernst diese Dienstleistungskataloge zu nehmen sind, macht das Nachwort im Anhang der BIAP-Empfehlung 06/5 (1993) deutlich. Dort heißt es: »Diese Empfehlung hat folgende Auswirkung: - Die mit der Rehabilitation Hörbehinderter befassten Berufsgruppen haben die moralische und ethische Verpflichtung, alle in dieser Empfehlung angeführten Maßnahmen durchzuführen. -Die Betroffenen haben Anspruch auf diese Rehabilitationsleistung. Sie können sie einfordern.«
Hörgeräteakustiker und Ausbildungszuständige sind sich offensichtlich ihrer hohen Gesamtverantwortung bewusst. Als Zeichen dafür werte ich u.a. die Bereitstellung eines hohen Stundenkontingentes für die Aus- und Fortbildung im Bereich Psychologie/Soziologie. Auch die hohe, engagierte Beteiligung der in der Meisterausbildung befindlichen Akustiker in den Psychologie/Soziologie-Vorlesungen ist als Anzeichen für ein großes Interesse an diesen Fächern anzusehen. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch die rege Nachfrage nach dem vorliegenden Buch zu benennen. Der Akademie für Hörgeräte-Akustik sowie dem Median-Verlag sei gedankt für die Herausgabe dieser 2. Auflage!
Winsen/Luhe, im August 1996 Johannes Eitner
Vorwort zur 3. Auflage 2008
Psychologisches und soziologisches Grundwissen für Hörgeräteakustikerinnen und Hörgeräteakustiker zu entfalten, war 1990 das gemeinsame Anliegen des Herausgebers, des Median-Verlages und des Verfassers.
Es sollte
■ ein Buch verfasst werden, das begleitend zum Unterricht, zu den Seminaren und zu den Vorlesungen im Rahmen der Aus- und Weiterbildung genutzt werden kann,
■ ein Kompendium bereit gestellt werden, das zum Selbststudium und als Repetitorium für die Prüfungsvorbereitung geeignet ist,
■ ein Leitfaden entwickelt werden, der einen Standard schafft und Orientierung bietet,
■ Lektüre angeboten werden, die Interessierte aus anderen Fachbereichen zum Lesen einlädt.
Die anhaltende Nachfrage über beinahe zwei Jahrzehnte hinweg ist ein hoch erfreuliches Feedback durch die Leserinnen und Leser. Sie war Anlass und Motiv zur vorliegenden dritten Auflage.
Aufbau und Struktur des Buches haben sich bewährt und blieben deshalb erhalten. Veränderungen und Ergänzungen erfolgten in Bereichen, in denen Entwicklungen eine Aktualisierung und Erweiterung erforderlich machten.
Ein Kompendium über ein derart breites Themenspektrum kann nur Grundlagenwissen vermitteln. Hinweise auf weiterführende und vertiefende Literatur werden am Schluss dieses Buches gegeben.
Winsen an der Luhe, im August 2008 Johannes Eitner
Rezension
Der »neue Eitner« – sehr empfehlenswert
Verständnis zu erreichen für die Menschen mit Hörschädigung, mit denen Professionelle unterschiedlichster Fachgebiete und Berufsgruppen zu tun haben, und Bedingungen für eine gelingende und vertrauensvolle Kommunikation im Arbeitskontakt mit ihnen aufzuzeigen – die Verpflichtung auf diese Anliegen zieht sich wie ein roter Faden durch Johannes Eitners Buch. Der Autor hat wichtige und breit gefächerte Themengebiete rund um Menschen mit Hörschädigung profund durchleuchtet und in dieser dritten Auflage auf den aktuellen Stand in Forschung und Literatur gebracht. Seine vielfältigen Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit Hörschädigung sowohl als Leiter einer Hörgeschädigtenschule als auch aus der Ausbildung von Hörgeräteakustikern haben die Feder geführt bei der Zusammenstellung von psychologischen und soziologischem Grundwissen, das für die Arbeit (und gute Zusammenarbeit) mit hörgeschädigten Menschen unabdingbar ist.
Was muss man wissen, wenn man mit hörgeschädigten Menschen oder, wenn es sich um kleine Kinder handelt, mit ihren Eltern als Arzt oder Akustiker zutun hat?
Der Autor beginnt mit einer detaillierten Begriffsbestimmung der verschiedene Arten von Hörstörungen und ihrer Auswirkungen und der unterschiedlichen psychosozialen Konsequenzen für die Betroffenen sowie ihrer Bedürfnisse. Einen wichtigen Stellenwert haben hier zunächst die frühe Erfassung von Kindern und das für ihre gute, d. h. entwicklungsförderliche Versorgung notwendigerweise ineinandergreifende Puzzle aus interdisziplinärer Zusammenarbeit.
Die Zusammenarbeit zwischen denjenigen, die Diagnosen stellen und die technische Versorgung bereitstellen und den pädagogischen Berufsgruppen, die auf die Entwicklung des Kindes mit Hörschädigung fokussieren, ist von entscheidender Bedeutung. Dem trägt Eitner Rechnung durch prägnante Beschreibung wichtiger Faktoren der Arbeit der Frühförderung, der Arbeit pädaudiologischer Beratungsstellung wie der differenzierten Möglichkeiten des schulischen Bildungssystems für Schüler mit unterschiedlichen Hörschäden. Die Qualität von Eingliederung und beruflicher Bildung sind eng verwoben mit technischer Ausstattung, auch hier wird eine Breite interessanter und notwendiger Informationen zu gesetzlichen Grundlagen wie psychosozialen Aspekten dargestellt.
Einen breiten Teil nimmt das Themenbereich der Altersschwerhörigkeit ein, da sie zwangsläufig das größte Arbeitsgebiet umfasst. Hier werden eine Vielzahl von soziologischen Daten und psychosozialen Aspekten dargestellt.
Mit deutlicher Schwerpunktsetzung nutzt Eitner umfangreiches kommunikationspsychologisches Wissen aus verschiedenen Ansätzen und psychologischen Schulen und bereitet es anschaulich und ausgesprochen gut lesbar für all diejenigen auf, die sich in ihrer Profession nicht vorrangig mit psychosozialen Themen auseinandersetzen. Wichtig sind dabei auch alle nonverbalen Aspekte von Kommunikation wie Körpersprache, aber auch Beziehungsaspekte. Er unterlegt und verdeutlicht jedes Thema mit Beispielen aus der Praxis der Hörgeräteakustiker und lässt vor allem immer wieder die Sicht und die Lage der Betroffenen nachvollziehbar hervortreten.
Dabei reicht das Spektrum der Themen von alltagspraktischen Fragen günstiger Gesprächspositionen bis zu Beispielen kommunikationsförderlicher Frage- und Ausdrucksformen.
Neben der thematischen Breite und der Genauigkeit der Bearbeitung zeichnet sich das Buch durch seine klare und übersichtliche Gestaltung sowie die vielfältigen Abbildungen aus. Nach Themengebieten geordnete Literaturhinweise und -empfehlungen sowie ein Anschriftenverzeichnis von nützlichen Initiativen und Institutionen erweitern den Informationsgehalt des Buches.
Dieses Buch sollte selbstverständliche Pflichlektüre für Akustiker und alle Vertreter aller Sparten der Audiologie sein. Nicht nur Auszubildende und Berufsanfänger, auch alte Hasen können aus der Lektüre noch Profit ziehen. Auch andere Berufsgruppen, die beruflich mit Menschen mit Hörschädigung zu tun haben, werden das Buch mit Gewinn lesen und psychosoziale Berufsgruppen werden in der Vielfalt des verarbeiteten Materials viele nützliche Informationen finden. Es sollte sich seinen Platz als begleitendes Arbeitsbuch erobern, das immer wieder zu Hand genommen wird, denn seine Themen erweitern den Blick über den Tellerrand der eigenen Profession und begleiten kontinuierlich den Berufsalltag von Akustikern und Audiologen. Sehr empfehlenswert!
Cornelia Tsirigotis (Aachen)