2013, DIN A 5, 240 Seiten, kartoniert
Beschreibung
ISBN 978-3-941146-37-2
Beschreibung
Die Bildungslandschaft in Deutschland liegt im Umbruch. Die vorliegende Dissertation hat das Ziel, Inklusion und frühe Bildung vor dem Hintergrund der Situation von Kindern mit und ohne besondere Bedürfnisse zu analysieren. Das Recht auf Bildung, Aktivität und Teilhabe wird im Kontext des frühkindlichen Alltags wissenschaftlich evaluiert. Auf der Grundlage evidenzbasierter Ergebnisse werden im Anschluss als Forschungsertrag zukunftsorientierte Visionen für die Sonderpädagogik, Elementarpädagogik und allgemeine Pädagogik entwickelt.
Die vorliegende Studie ist aufgrund des methodischen Designs und der konsequenten Einbeziehung der Elternsicht bislang einmalig in der Hörgeschädigtenpädagogik. Der besondere Fokus liegt auf Kindern mit Cochlea-Implantat als eine Referenzgruppe der Studie und orientiert sich damit an den aktuellen Fragen der HNO-Medizin.
Das fachwissenschaftliche Buch mit Blick aus der Praxis stellt interessante Forschungsergebnisse für Wissenschaftler und Fachkräfte aus der (Sonder-)Pädagogik, wie beispielsweise Lehrer, Heilpädagogen, Erzieher und Therapeuten sowie für Familien mit Kindern mit und ohne Hörschädigung dar. Zudem wendet es sich an den Fachkreis zu Fragen von Kindern mit multiplen Herausforderungen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort und Zusammenfassung
1. Allgemeiner Forschungshintergrund
1.1 Inklusion als Bildungschance
1.1.1 Die Bildungslandschaft ist im Umbruch
1.1.2 Inklusion als gesamtgesellschaftlicher Prozess
1.1.3 Das Idealbild der Inklusion
1.1.4 Inklusion und seine Kritiker
1.1.5 Inklusion und Praxisumsetzung
1.1.6 Inklusion als Balanceakt – es ist normal verschieden zu sein
1.2 Frühkindliche Bildung
1.2.1 Was ist Frühkindliche Bildung?
1.2.2 Frühkindliche Bildung im Inklusionsverständnis
1.2.3 Bildungsbeteiligung im frühkindlichen Lebensbereich
1.2.4 Motoren früher Bildungsprozesse
1.3 Dialogik
1.3.1 Warum braucht Bildung den Dialog? Frühe Dialogerfahrungen als Tor zur Bildung
1.3.2 Der Dialog als Fundament aller frühen Anfänge
1.3.3 Den Dialog zulassen: Bildung statt Förderung - Umdenken von Anfang an
1.3.4 Experten im frühkindlichen System Kind
1.3.5 Dialogik und die Bedeutung konstanter Bezugspartner
1.4 Lebensalltag Kind
1.4.1 Frühes Kindsein heute
1.4.2 Lebensalltag von Kindern mit besonderen Bedürfnissen - special needs
1.4.3 Belastungsfaktoren im frühkindlichen Lebensalltag
1.4.4 Interdisziplinarität im frühkindlichen Lebensalltag - eine Herausforderung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen
1.5 Resümee
2. Wissenschaftliche Fragestellung
2.1 Zielsetzung der Studie
2.2 Fragestellung
2.3 Material und Methode
2.4 Stichprobe
2.5 Methodenreflexion
3. Ergebnisse der Studie
3.1 Inklusion
3.1.1 Aktivität und Teilhabe sichtbar machen – Ergebnisse zu den Kalenderdaten im Gesamt
3.1.2 Ergebnisse zur Terminnutzung im interdisziplinären Vergleich
3.1.3 Ein vergleichender Blick in ausgewählte Kategorien der Kalenderdaten
3.2 Frühkindliche Bildung
3.2.1 Frühkindliche Bildung im gesamten interdisziplinären Expertennetzwerk
3.2.2 Frühkindliche Bildung im Expertennetzwerk - der Disziplinvergleich
3.2.3 Die Familie im Hilfenetz – der Interdisziplinaritätsindex (INDI)
3.3 Dialogik
3.3.1 Den Dialog gestalten: Der Blick auf das eigene Kind in seinen Kompetenzen und die elterliche Beurteilungssicherheit
3.3.2 Beeinflussung des Dialogs möglich? Veränderungen der Kompetenzprofile und der Beurteilungssicherheit durch Terminwahrnehmung
3.3.3 Kompetenzprofil als Wegweiser im interdisziplinären Hilfenetz?
3.4 Lebensalltag Kind
3.4.1 Bildungsort ‚Familie‘
3.4.2 Lebensalltag inklusive? Vielterminer im Referenzvergleich
3.4.3 Angebotshoppper im Referenzvergleich
3.5 Ergebnisse der Experteninterviews
3.5.1 Terminstress als Phänomen der frühen Lebensphase
3.5.2 Expertenvielfalt als Chance und Grenze
3.5.3 Unterschiede in diesem Kontext zwischen Kindern mit und ohne besondere Bedürfnisse
3.5.4 Inklusion und Teilhabe sichern – das Recht auf Normalität auch für behinderte Kinder
4. Diskussion
4.1 INKLUSION
4.1.1 Terminwahrnehmung in früher Kindheit. Oder: Haben hörgeschädigte Kinder mit und ohne Mehrfachbehinderung eine vergleichbare Termindichte wie nichtbehinderte Kinder?
4.1.2 Frühe Inklusion und Teilhabechancen –– Gemeinde, Wissenschaft und Kinderalltag im Dialog. Oder: Macht es Unterschiede, ob man ins Kinderturnen geht oder zur Logopädie?
4.1.3 Inklusion von Anfang an. Oder: Wie geht das praktisch?
4.2 Frühkindliche Bildung
4.2.1 Bildung und Beziehungsverlässlichkeit im Kindergartenalltag von Kindern mit besonderen Bedürfnissen – Eingliederungshilfe auf dem Prüfstand. Oder: Darf ich auch mal dabei bleiben?
4.3 DIALOGIK
4.3.1 Gemeinsamkeit der kindlichen Fähigkeiten und Terminnutzung – Dialogik als Prozess. Oder: Wie stark schätzen Eltern ihre Kinder ein?
4.3.2 Kompetenzprofile und Elternsicherheit innerhalb der Interdisziplinarität. Oder: Zeigen sich Unterschiede zwischen Therapie und Pädagogik in Bezug auf diese Parameter?
4.3.3 Veränderung der Eltern in ihrer Beurteilungsfähigkeit von Sprache durch Terminnutzung. Oder: Hilft viel wirklich viel?
4.3.4 Dialog in der Wissenschaft. Oder: Die Notwendigkeit längst überfälliger Paradigemenwechsel.
4. 4 Lebensalltag Kind
4.4.1 Gemeinsamkeiten im elterlichen Belastungsempfinden. Oder: Sind Eltern mehrfachbehinderter Kinder grundsätzlich mehr belastet?
4.5 FAZIT
4.5.1 Die 15 Fazits dieser Studie.
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Literatur
Vorwort
VORWORT UND ZUSAMMENFASSUNG
Die Bildungslandschaft in Deutschland ist im Umbruch. „Das Gesellschafts-, Sozial und Bildungssystem jedes Landes, das die UN-Konvention ratifiziert hat, soll sich danach verpflichtend ausrichten“ (Ahrbeck 2011, S. 26). Die Ratifizierung der UN-Konvention in Deutschland am 26. März 2009 macht es daher notwendig, gemeinsame Bildung von Kindern mit und ohne Behinderung neu zu denken. Zudem strömt eine innovative Bildungsoffensive in den frühkindlichen Lebensbereich.
Die Dissertation hat das Ziel, Inklusion und Frühe Bildung vor dem Hintergrund der Situation von Kindern mit und ohne besondere Bedürfnisse zu analysieren. Das Recht auf Bildung, Aktivität und Teilhabe soll im Kontext des frühkindlichen Alltags vergleichend evaluiert werden. Auf der Grundlage der evidenzbasierten Ergebnisse werden im Anschluss als Forschungsertrag zukunftsorientierte Visionen entwickelt.
Inwieweit Kinder mit Hörschädigung an dem frühkindlichen Recht auf Bildung chancengerecht beteiligt sind und welche Wege der Aktivität und Teilhabe für diese Kinder und ihre Eltern gesichert werden, ist wissenschaftlich weitgehend ungeklärt. Zudem bedarf es zwingend einer aktuellen Bildungsdiskussion für das Lebensalter 0–6 Jahre. Es ist notwendig, die inhaltliche Zielsetzung der Frühpädagogik interdisziplinär zu überdenken, dabei ist die Relevanz von Bildung und Förderung gerade für das Lebensalter 0–6 Jahre auch im Zusammenhang des Eltern-Kind Dialogs zu reflektieren.
Bei der notwendigen Neuorientierung in Fragen der kindlichen Bildungsmöglichkeiten und in Abgrenzung zu einem traditionellen Förderkonzept können Kinder mit besonderen Bedürfnissen nicht unbeachtet bleiben. Auch Kinder mit dem Fokus Hörschädigung und Mehrfachbehinderung dürfen nicht aus dieser Bildungsdiskussion ausgeklammert werden. Die Zahl der hörgeschädigten Kinder mit Zusatzbehinderung liegt jedoch bei ca. 20% und Untersuchungen zur Situation dieser Familien zeigen, dass die Belastung dieser Eltern im Vergleich zu Eltern ausschließlich hörgeschädigter Kinder sehr hoch ist. Die Situation, ein mehrfachbehindertes Kind zu haben, stellt viele Eltern vor eine meist völlig veränderte Lebenssituation. Theoriegeleitete Bildungsansätze für diese Zielgruppe sind im frühpädagogischen Bereich momentan unterrepräsentiert.
Nicht zuletzt machen die aktuellen Diskussionen in Deutschland zu Missbrauchsfällen eine kritische Auseinandersetzung mit den Werten innerhalb der Pädagogik notwendig und setzen damit erneut den Grundstein für eine längst überfällige Wiederbelebung der Diskussion zu Fragen der Bildung, Erziehung und Beziehung.
Eine Dialogische Frühpädagogik als bildungstheoretisches Fundament auf der Grundlage der Eltern-Kind-Beziehung ist dabei handlungsleitend. Originär ist auch, dass die interdisziplinäre Realisierung von frühkindlichen Angeboten, die heute als Konsens in der Frühpädagogik gefordert ist, kritisch reflektiert wird. Verunsicherungen der Eltern aufgrund konträrer Beratungsansätze und einzelner Therapiebausteine sollen hierbei untersucht werden. Es wird u. a. die Hypothese überprüft, ob Eltern von Kindern mit und ohne besondere Bedürfnisse in ihren vorhandenen Kompetenzen durch die interdisziplinäre Vielfalt im Frühbereich in ihrer eigenen Urteilsfähigkeit gefährdet werden.
Im Kontext einer Methodentriangulation werden die Ergebnisse hörgeschädigter Kinder mit Cochlear-Implant mit denen hörgeschädigter Kinder mit Zusatzbehinderung in Beziehung gesetzt. Diese werden im Referenzgruppenvergleich mit Daten hörender Kinder in unterschiedlichem Hör- bzw. Lebensalter evidenzbasiert diskutiert.
Der Dialog kann beginnen.
Autor
Christiane Bischoff (geb. Fautz), Jahrgang 1974, schloss 1999 ihr Studium der Hörgeschädigtenpädagogik und Frühpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ab. In ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Assistentin arbeitete sie von 1999 bis 2002 in Forschung und Lehre an der Uniwerystet Warminsko-Maszurski w Olztynie/Polen (UWM) im deutsch-polnischen Studiengang »Früherziehung hörgeschädigter Kinder«. Zeitgleich lag ihr Forschungsschwerpunkt als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt »Früherziehung hörgeschädigter Kinder« (Leitung Prof. Horsch) auf Frühen Dialogen, 2001 bis 2002 Forschungstätigkeit am Ersten Pädagogischen Implant Centrum Polens (CICO); 2002 DAAD-Jahresstipendiatin im Rahmen der Kooperation der UWM Olsztyn/Polen und PH Heidelberg; Mitarbeiterin in interdisziplinären Forschungsprojekten von Prof. Dr. U. Horsch »Frühe Dialoge bei Säuglingen«, »Inklusion als Bildungschance« und »Frühkindliche Bildungsprozesse«.
Von 2004 bis 2008 Klassenlehrerin der ersten Klasse mit inklusivem Bildungsangebot für Hörgeschädigte bundesweit, Koordinatorin der Außenklassen des BBZ Stegens und Leiterin der Beratungsstelle für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche Hegau-Bodensee. Seit 2009 Leitung der Abteilung Frühpädagogik, Abteilung Schulkindergarten und Eltern-Kind Gruppen des BBZ Stegen.
Zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge auf nationalen und internationalen Kongressen (Krakau, Warschau/Polen, ICIS Kyoto/Japan, WHO Peking/China) zu Fragen der Frühpädagogik, Inklusion und Früher Bildungsforschung. Seit 2002 Lehrbeauftragte und Gastreferentin der PH Heidelberg mit Schwerpunkt »Dialogische Früherziehung« und »Gesprächsführung«, seit 2010 Dozentin an der DAA Logopädenschule Freiburg mit Fokus »Hörschgeschädigtenpädagogik«. Derzeit ist die Autorin in Elternzeit und lebt mit ihrer Familie in Freiburg.