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2021, 6. Nachdruck der Auflage 2003 im Print-on-Demand-Verfahren, vierfarbig mit 268 teils historischen Abbildungen, 448 Seiten, gebunden
Beschreibung
ISBN 978-3-922766-81-0
Beschreibung
Aus dem Inhalt:
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Vom Ohrenspiegel zum Augenspiegel und zurück. Die verflochtene Geschichte ihrer Erfindung und Einführung in die Praxis
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Die Entwicklung der Ohr- und Nasenspecula
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Die zweitausendjährige Geschichte der Ohrenspritze und ihre Verflechtung mit dem Klistier
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Die Erfindung der Stimmgabel, ihre Wege in der Musik und in den Naturwissenschaften
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Die klassischen Stimmgabelversuche nach Weber, Rinne und Schwabach
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Mit Stimmgabeln auf dem Weg zur quantitativ messenden Tongehörsprüfung
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Die Galton-Pfeife und die Entdeckung der Altersschwerhörigkeit
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Das Monochord, sein Weg von der Pythagoräischen Musikwissenschaft zur Prüfung der oberen Hörgrenze
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Die Anfänge der Tonaudiometrie
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Die Eustachische Röhre und ihre Rolle in der Geschichte der Ohrenheilkunde
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Die Trommelfellmassage, Aufstieg und Niedergang eines erfolgversprechenden therapeutischen Konzeptes
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Die Geschichte der Menièreschen Krankheit und ein historisches Beispiel: Martin Luther
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Aderlässe, Haarseile, echte und künstliche Blutegel und ihre Anwendung in der Otologie
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Einige Aspekte aus der Geschichte der Mittelohr- und Innenohr-Chirurgie und drei historische Beispiele: Kaiser Wilhelm II., Oscar Wilde, Heinrich Schliemann
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Das Nasenbluten in der Geschichte der Medizin
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2000 Jahre Geschichte der Tonsillektomie
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Die Geschichte der Injektionen
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Die Erfindung der indirekten Laryngoskopie
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Eine kleine Kulturgeschichte der Simulation von Krankheiten mit besonderer Berücksichtigung der Taubheit und der Stimmlosigkeit.
Vorwort
»Je schöner und glänzender die Aussichten sind,
welche uns die bisherigen Forschungen eröffnet haben,
desto weniger dürfen wir, durch sie bestochen,
eines ruhigen Besitzes uns freuen.«
Carl Gustav Lincke 1837*
Vorwort
Dieses Buch erhebt nicht den Anspruch, die geschichtliche Entwicklung der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde umfassend und systematisch darzustellen. Es soll vielmehr ein Lesebuch sein, das einzelne Aspekte behandelt, Untersuchungsmethoden, Instrumente, Therapieformen, Krankheiten. Das Bestreben war, die Forscher und Ärzte, die an diesen Entwicklungen beteiligt waren, möglichst lebendig im Umfeld ihrer Zeit hervortreten zu lassen, nicht so sehr im Rückblick und im Wissen darüber, was danach kam, sondern aus dem, was jeweils schon erreicht war und was als Problem im Raum stand. Juristen würden sagen »ex ante« und nicht »ex post«. Darum werden die Forscher und Ärzte oft mit ihren eigenen Worten zitiert, mit denen sie ihre neuen Methoden oder Instrumente vorgestellt haben. So soll dem Leser auch der Stil der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen und Veröffentlichungen in den verschiedenen Jahrhunderten nahegebracht werden. Biographische und anekdotische Details tragen dazu bei, im Forscher auch den Menschen hervortreten zu lassen. Man ist oft angerührt von der Freude und Begeisterung, mit welcher der einzelne über seine neuen Entdeckungen berichtet, und von der Überzeugung, einen echten Fortschritt erzielt zu haben. Gelegentlich war es dann doch ein Fehlgriff und blieb eine kuriose Episode; oder aber die Erfindung geriet in Vergessenheit und wurde ein zweites oder gar ein drittes Mal gemacht, bis sie dann plötzlich als Standard akzeptiert wurde. Manchmal spürt man auch die Konkurrenz unter den Fachkollegen und das Bestreben, sich die Priorität einer Neuerung zu sichern. Immer jedoch verdienen diese alten Ärzte und Forscher unseren Respekt, denn aller Fortschritt ist auch begleitet von Irrwegen, auf denen dennoch wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse gewonnen wurden.
Diese Entwicklungen in dem scheinbar schmalen Spezialgebiet der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde sind immer auch eingebunden in den Strom der ganzen Medizin mit ihren jeweils vorherrschenden Lehrmeinungen und Fortschritten und noch umfassender eingebunden in viele Aspekte der Kulturgeschichte. Verwundert wird man feststellen, dass es auf dem Sklavenmarkt im Alten Rom für den Wert eines Sklaven eine Rolle spielen konnte, ob er an den Mandeln operiert worden war oder nicht. George Washington musste an einer akuten Kehlkopfentzündung sterben, weil ein Konsilium von drei Ärzten entgegen aller praktischen Vernunft den Therapieempfehlungen der geltenden Lehrmeinung folgte. Gesellschaftliche Abhängigkeiten werden erkennbar, wenn die Höflinge der französischen Könige Louis XIV. und XV. die Leiden ihrer Herrscher simulieren und eine gleiche Behandlung erdulden, nur um ihnen näher zu sein. Im erbitterten Streit der Theologen um Martin Luther spielte dessen Anfallsleiden, das als Geisteskrankheit dargestellt wurde, über Jahrhunderte eine wichtige Rolle, bis rund 450 Jahre nach seinem Tode geklärt werden konnte, dass es sich um eine Erkrankung seines linken Innenohres gehandelt hatte.
Nationale und politische Beziehungen treten hervor, wenn deutsche und englische Ärzte um die richtige Behandlung der Kehlkopferkrankung Kaiser Friedrich III. ringen und wenn der Kronprinz Wilhelm gleichzeitig wegen eines als gefährlich eingeschätzten chronischen Ohrenleidens ständig behandelt werden muss. Es wird aber auch deutlich, von welch trügerischer Sicherheit manchmal Operateure geleitet wurden, z. B. der große deutsche Chirurg Ernst von Bergmann, der wenige Wochen nach des Kaisers Tod in einem Kolleg mit patriotischen Kommentaren eine Kehlkopfexstirpation bei einem Patienten demonstrieren wollte, »eine Operation, welche allein geeignet gewesen wäre, auch seiner Majestät dem Kaiser Thron und Leben zu erhalten«, doch nach zwei Stunden war der Patient tot. Auch solche bitteren Erfahrungen dienten letztlich dem Fortschritt.
Die Einführung der Stimmgabel in die otologische Diagnostik wäre nicht denkbar gewesen ohne die Musiklehre der Pythagoräer und die Genialität einzelner Musiker, Musikinstrumentenbauer und Physiker. Die Altersschwerhörigkeit wurde entdeckt, weil der englische Naturforscher Sir Francis Galton die obere Hörgrenze als ein artspezifisches Merkmal erkannte und sie daher mit einem eigens dafür entwickelten Instrument an Tieren und Menschen untersuchte. Das Telefon und damit die erste technische Voraussetzung für die Entwicklung der Tonaudiometrie wurde erfunden, weil Philipp Reis, ein Physiklehrer, und Graham Bell, ein mit einer gehörlosen Frau verheirateter Taubstummenlehrer, die Funktion des Trommelfelles und der Gehörknöchelchen erforschen wollten. Hermann Helmholtz erfand den Augenspiegel, um seinen Studenten das »Augenleuchten«, das man besonders bei Katzen unter bestimmten Bedingungen beobachten kann, zu erklären und eröffnete damit nicht nur der Augenheilkunde ungeahnte neue Impulse, sondern gab damit auch den Anstoß, dass der Ohrenspiegel, der schon 10 Jahre zuvor von Friedrich Hofmann erfunden, aber unbeachtet geblieben war, nun auf diesem Umweg auch in der Ohrenheilkunde für einen mächtigen Fortschritt sorgte.
Leonardo da Vinci, der geniale, vielseitige Maler, Bildhauer, Architekt, Naturforscher und Techniker präparierte schon menschliche Leichname, lange bevor Mediziner sich an dieses Tabu wagten, und schuf eine Serie wunderbarer anatomischer Abbildungen, darunter genaue Schnittbilder von der Kieferhöhle, 160 Jahre bevor sie ein zweites Mal von dem englischen Arzt Nathaniel Highmore entdeckt wurde. Die Erfindung der indirekten Laryngoskopie, die einen ganz neuen Zweig der Medizin eröffnete, war das Ergebnis der Bemühungen eines Gesanglehrers, die Funktion seines eigenen Kehlkopfes zu studieren, und es war wiederum eine Sängerin, die an sich selbst zum ersten Mal die Möglichkeit einer direkten Laryngoskopie entdeckte. So lassen sich in der Geschichte der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde noch zahlreiche weitere Querverbindungen mit den verschiedensten Zweigen der Kultur aufzeigen.
Mein Interesse an der Geschichte des Faches fand ihren ersten Niederschlag in einer 1960 erschienenen Monographie »Die geschichtliche Entwicklung der Hörprüfungsmethoden « (Thieme Verlag). Über vier Jahrzehnte hinweg sammelte ich konsequent historisch wichtige alte Fachbücher und HNO-ärztliche Instrumente. Diese letzteren bilden seit 1991 mit ca. 130 Objekten eine in sich geschlossene Sammlung innerhalb des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt. Aus der intensiven Beschäftigung mit der Geschichte der einzelnen Objekte und der Ärzte, die sie entwickelt und eingeführt hatten, entstand eine Reihe von Zeitschriftenartikeln, vornehmlich in der Laryngo-Rhino-Otologie, die wesentlich erweitert und ergänzt, in die hier vorliegende zusammenfassende Darstellung eingeflossen sind.
Für den laufenden Text wurde die neue deutsche Rechtschreibung verwendet. Historische Zitate wurden jedoch immer getreu in der originalen Schreibweise der Zeit widergegeben. Da mag es manchen Leser überraschen zu sehen, dass sich in der Rechtschreibung des 18. und 19. Jahrhunderts viele Merkmale finden, die jetzt als Neuerung wieder eingeführt worden sind, z. B. der Gebrauch von ss und ß oder beim Zusammentreffen von drei gleichen Buchstaben, wie z. B. Schallleitung usw., eine Parallele zur Geschichte der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, in der auch öfter vermeintlich Neues erfunden wurde, das man ein Jahrhundert zuvor gerade als ungeeignet verworfen hatte.
Ich wünsche den Lesern dieses Buches ebenso viel Freude bei der Lektüre, wie mir das Quellenstudium und die Vertiefung in die historischen Zusammenhänge bereitet hat. Mein Dank gilt heute allen jenen Kollegen, die mich bei der Sammlung der Instrumente und Bücher unterstützt haben. Dem Median-Verlag, und hier besonders dessen Geschäftsführer Kurt Osterwald, danke ich für die stets verständnisvolle gute Zusammenarbeit und die großzügige drucktechnische Ausstattung des Buches.
Harald Feldmann, Münster 2003
* Carl Gustav Lincke (geb. 1804 in Kosmin, Prov. Posen, gest. 1849 in Leipzig): Handbuch der theoretischen und praktischen Ohrenheilkunde, Leipzig 1837-1840
Autor
Harald Feldmann, geb. 1926 in Weferlingen in der Altmark als drittes Kind des Lehrers Willi Feldmann und seiner Ehefrau Elise, geb. Verchau. Nach Schule und Abitur von 1944 bis 1948 Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft in England. Von 1949 bis 1955 Medizinstudium an der Freien Universität Berlin und in Mainz; Staatsexamen und Promotion in Berlin. Ab 1956 Weiterbildung in Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde an der Universitätsklinik Heidelberg, damals unter der Leitung von Prof. Dr. W. Kindler, ab 1965 unter der Leitung von Prof. dr. H.-G. Boenninghaus. 1963 Habilitation, 1966 Ernennung zum Wissenschaftlichen Rat, 1969 zum außerplanmäßigen Professor. Seit 1964 verheiratet mit Dr. med. Ursula, geb. Lindel; zwei Söhne. 1976 Berufung auf den Lehrstuhl für HNO-Heilkunde der Wilhelms-Universität in Münster; seit 1991 emeritiert. Über 200 wissenschaftliche Publikationen in Zeitschriften, Handbüchern und Monographien mit Schwerpunkten Otologie, Audiologie, Begutachtung, Tinnitus, Geschichte der HNO-Heilkunde. Gründung einer Sammlung historischer HNO-Instrumente im Deutschen Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt.