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Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft der TBA-Qualifizierungsinstitute (AGTI)
2024, 3. Nachdruck der Auflage 2015, 275 Seiten, 87 Abbildungen, kartoniert
Beschreibung
ISBN: 978-3-941146-61-7
Herausgeberteam: Andrea Wanka, Hildegard Bruns, Almuth Kolb, Claudia Preißner, Annika Olschok
Beschreibung
Eine qualifizierte Assistenz für Menschen mit Taubblindheit und Hörsehbehinderung ist der Schlüssel zur Teilhabe dieses Personenkreises am gesellschaftlichen Leben. Ein möglichst barrierefreier Zugang zu Information, Kommunikation und Mobilität wird durch die Taubblinden-Assistenz sichergestellt. Sie trägt einen wesentlichen Teil zum selbstbestimmten und Sinn erfüllten Leben von Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung in einer hörend-sehenden Gemeinschaft dar.
Assistenz für Menschen mit Taubblindheit und Hörsehbehinderung wird in Deutschland noch nicht lange explizit in den Fokus genommen. In der Folge sind auch Qualifizierungsangebote kein Schwerpunktthema, trotz dass die Einführung eines Merkzeichens „taubblind/hörsehbehindert“ im Schwerbehindertenausweis wiederholt politisch thematisiert wurde. Erste Angebote in der Qualifizierung von Taubblinden-Assistenten haben in Deutschland 2007 begonnen. Seit 2012 gibt es ein Qualifikationsprofil für Taubblinden-Assistentinnen und –Assistenten des Gemeinsamen Fachausschusses Hörsehbehindert/Taubblind (GFTB), an dem sich die Qualifizierungsinstitute orientieren. Zwischenzeitlich gibt es fünf Anbieter für Qualifizierungen in Deutschland: Das Deutsche Taubblindenwerk Hannover, die Diakademie Moritzburg, GIB Nürnberg, die stiftung st. franziskus heiligenbronn und das TBA-Projekt Recklinghausen.
Damit diese Anbieter für einen Konsens an Inhalten stehen sowie diesen auch lehren können und die Qualifizierungsteilnehmer Zugang zum Wissenskanon haben, ist dieses Lehrbuch Taubblinden-Assistenz entstanden. Es ist das erste deutschsprachige Werk, das sich der Thematik Taubblinden-Assistenz widmet und das in den Qualifizierungsinstituten gelehrte Wissen kompakt darstellt. Es beschreibt insbesondere Inhalte zu Grundlagen im Kontext von Taubblindheit/Hörsehbehinderung, Kommunikation sowie Information, Rehabilitation, Recht, Psychologie, das Assistenten-Selbstverständnis und stellt dies anschaulich anhand von praktischen Beispielen dar.
Inhaltsverzeichnis
Vorstellung des Herausgeber-Teams (AGTI)
Vorwort
Einleitung
Grundlagen Taubblindheit/Hörsehbehinderung
Medizinisches
Funktionsweise Auge (Ines Hübschmann)
Funktionsweise Ohr (Dr. Oliver Rien)
Facetten von Taubblindheit/Hörsehbehinderung – angeboren, erworben, altersbedingt (Andrea Wanka)
Sozialisation taubblinder Menschen (Susanne Günther-Wick)
Lebenssituation taubblinder Menschen (Susanne Günther-Wick)
Menschen mit angeborener Taubblindheit/Hörsehbehinderung - oft vergessen, doch auch auf Taubblindenassistenz angewiesen (Andrea Wanka)
Grundlagen Kommunikation und Information
Kommunikation von und mit Menschen mit Taubblindheit und Hörsehbehinderung (Andrea Wanka, Margherita Hepp)
Vermittlung visueller Informationen in taktiler Gebärdensprache und in Kleinraumgebärden (Uwe Zelle)
Grundlagen Rehabilitation
Rehabilitation (Karlheinz Jacobs)
Rehabilitationsunterricht für taubblinde Menschen. Orientierung und Mobilität. LPF (Karen Finke)
Taubblinde Menschen sicher führen (Karen Finke)
Hilfsmittel
Sinnesspezifische Hilfsmittel im Überblick (Irene Kurock)
Erfahrungen mit Hilfsmitteln (Sven Fiedler)
Recht (Tanja Rudnik)
Psychologie - Psychische und psychosoziale Folgen von Taubblindheit (Kerstin Rießbeck, Heike Klier)
Assistentenselbstverständnis (Marja Hummert)
Was bedeutet Assistenz / Taubblindenassistenz? – Weg zur Selbstbestimmung und Teilhabe
Einblick in die Praxis (Fallbeispiele) (Judith Willekens)
Kontakte, Adressen, Institutionen, Einrichtungen (Hille Bruns und Claudia Preißner)
Anhang
Literaturempfehlungen/weiterführende Literatur (Annika Olschok)
Vorwort
Irmgard Reichstein
„Blindheit trennt von den Dingen,
Taubheit von den Menschen.“
(Helen Keller)
Weder Hören noch Sehen zu können, das ist in unserer Gesellschaft unvorstellbar. Das Wort taubblind wird immer noch selten verwendet und kommt vielen schwer über die Lippen. Erst seit wenigen Jahren findet sich der Begriff Taubblindheit in Wikipedia. Taubblindheit führt unweigerlich zu Isolation, wenn nicht aktive und spezifische Unterstützung erfolgt. Die Anerkennung von Taubblindheit als eigenständiger Behinderung mit spezifischem Unterstützungsbedarf geht auch nach einem einstimmigen Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz in 2012 schleppend voran. Für die meisten taubblinden Menschen sind Folgen der Ratifizierung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-BRK) im Jahre 2009 immer noch nicht spürbar. Ein spezifischer und hoher Unterstützungsbedarf ist erforderlich, um eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft und ein selbstbestimmtes Leben zu gewährleisten. Die Taubblindenassistenz stellt eine ganz wesentliche Unterstützungsleistung dar. Ausgebildete Taubblindenassistenten und Assistentinnen bemühen sich seit vielen Jahren um ein klares Berufsbild. Sie haben das berechtigte Interesse, von ihrer Arbeit leben zu können. Gleichzeitig kämpfen taubblinde Menschen für eine gesetzliche Grundlage, um Assistenzbedarf geltend machen zu können.
Taubblinde Menschen beschreiben die Assistenz als „Tor zur Welt“. Assistenz gleicht die Einschränkungen in Mobilität und Kommunikation aus, sie stellt eine Schnittstelle zur ferneren, nicht tastbaren Umwelt und zu anderen Menschen dar. Nur mit Assistenz können taubblinde Menschen ihre gewohnte Umgebung verlassen, in die Gesellschaft gehen, Gespräche mit anderen Menschen führen, teilhaben. Was sie nicht sehen und nicht hören, vermittelt ihnen die Assistenz. Auf der Basis dieser Informationen entscheiden Sie selbst ihre Schritte. Sie lassen sich führen, aber sie bestimmen den Weg. Sie lassen sich informieren, aber sie entscheiden worüber und bewerten die Information selbst. Sie bleiben die Handelnden, die Aktiven, sie bestimmen selbst für sich, die Assistenz ermöglicht die Umsetzung eigener Aktivitäten. Assistenz hat nichts mit Betreuung zu tun und ist weit mehr als Begleitung. Sie schafft die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben und gleichberechtigte Teilhabe im Sinne der UN-BRK. Ohne Qualifizierung ist Taubblindenassistenz undenkbar. Viel Wissen ist erforderlich, viele Kommunikationstechniken müssen beherrscht werden. Hinzu kommen umfangreiche Kenntnisse hinsichtlich der medizinischen Krankheitsbilder und ihrer Auswirkung, der rechtlichen Möglichkeiten und Ansprüche, der Hilfsmittel und Führtechniken und nicht zuletzt der psychischen und psychosozialen Auswirkungen. Neben den fachlichen Inhalten sind praktische Erfahrungen wesentlich, um Sicherheit im Umgang mit taubblinden Menschen zu bekommen.
Dieses erste Lehrbuch zur Taubblindenassistenzausbildung trägt nicht nur dazu bei, die Taubblindenassistenz-Qualifizierung voranzubringen und den Lernenden Orientierung und wertvolle Inhalte zu vermitteln. Es ist auch ein wichtiger Bestandteil, ein neues Berufsbild voranzubringen. Das ist dringend notwendig, um mehr Menschen für diesen Beruf zu gewinnen. Aktuell gibt es ungefähr 100 qualifizierte Assistenten/innen deutschlandweit. Wenn man von den im Gutachten des Gemeinsamen Fachausschusses hörsehbehindert taubblind geschätzten 2.500-6.000 Taubblinden in Deutschland ausgeht – das ist eine eher vorsichtig zu bewertende Schätzung - , so stehen bei 100 qualifizierten Assistenten/innen maximal 30 Minuten bis 2 Stunden pro Woche für einen taubblinden Menschen zur Verfügung. Davon gehen An- und Abreisezeiten noch ab. Außerdem sind die meisten qualifizierten TBA leider nur stundenweise ehrenamtlich oder nebenberuflich aktiv. Dies zeigt sehr deutlich, wie drastisch die Versorgungslücke ist. Nur eine winzig kleine Minderheit der Betroffenen kommt bislang in den Genuss von qualifizierter Assistenz. Viele Untersuchungen weisen zudem daraufhin, dass die Zahl taubblinder Menschen weit höher ist, so geht die Studie „Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Hörschädigung in unterschiedlichen Lebenslagen in NRW“ bereits von zirka 8.800 Betroffenen in Deutschland aus. Die Assistenzausbildung wird folglich in der Zukunft massiv ausgeweitet und verstärkt werden müssen, um den Rechten taubblinder Menschen gerecht zu werden. Dieses Buch bildet eine wichtige Grundlage für eine einheitliche und umfassende Qualifizierung in ganz Deutschland.
So wie der Gelähmte ohne Rollstuhl und entsprechende bauliche Maßnahmen nicht an der Gesellschaft teilhaben kann, so ist es dem Taubblinden nur mit qualifizierter Assistenz möglich, an der Gesellschaft teilzuhaben. Bleibt zu wünschen, dass qualifizierte Taubblindenassistenz so bald wie möglich für jeden taubblinden Menschen ebenso selbstverständlich zur Verfügung steht, wie ein Rollstuhl für den Gelähmten.
Autoren
Sven Fiedler, Karen Finke, Susanne Günther-Wick, Ines Hübschmann, Margherita Hepp, Marja Hummert,Karlheinz Jacobs, Heike Klier, Almuth Kolb, Irene Kurock, Irmgard Reichstein, Kerstin Rießbeck, Tanja Rudnik, Andrea Wanka, Judith Willekens, Uwe Zelle
Rezension
Lehrbuch und informativer Ratgeber
Arbeitsgemeinschaft der TBA-Qualifizierungsinstitute (AGTI) – Herausgeberteam: Andrea Wanka, Hildegard Bruns, Almuth Kolb, Claudia Preißner, Annika Olschok: Taubblinden-Assistenz – Ein Lehrbuch. Median-Verlag, 2016, 280 Seiten, 87 Abbildungen, kartoniert, € 34,00. ISBN 978-3-941146-61-7, E-Book-Ausgabe: ISBN 978-3-941146-67-9.
Wer noch vor wenigen Jahren zum Thema „Taubblindheit“ recherchierte, stieß recht schnell auf Grenzen. Dünn sah es aus und wenn überhaupt vorhanden, beschränkten sich die Ergebnisse oft auf fremdsprachige Werke oder aus dem Englischen übersetzte Literatur. Ein Großteil dieser Schriften bestand zudem aus in geringer Auflage veröffentlichten Erfahrungsberichten, Romanen oder wissenschaftlichen Arbeiten, wie Promotionen, Masterarbeiten und ähnlichem. Ratgeber und Lehr- und Fachbücher fehlten fast vollständig.
Viel hat sich mittlerweile bewegt, und das vorliegende Lehrbuch „Taubblinden-Assistenz“ ergänzt nun eine Folge mehrerer deutschsprachiger Fachbücher und Ratgeber zum Thema Taubblindheit/Hörsehbehinderung, welche in den letzten wenig zurückliegenden Jahren veröffentlicht wurden.
Das Buch versteht sich als Lehrbuch und Qualifizierungsmaterial für angehende Taubblinden-Assistenten und wurde von einem interdisziplinären Team aus Wissenschaft und Praxis herausgegeben. Dies tut dem Buch sehr gut. Nach einer kurzen und gut verständlichen Grundlagenvermittlung folgt schnell die Anleitung zu konkreten und praktischen Handlungsstrategien zur Unterstützung taubblinder/hörsehbehinderter Menschen.
Klar, übersichtlich und informativ werden von selbstbetroffenen Menschen und anderen fachkompetenten Autoren aus Wissenschaft und Praxis Grundlagen, die im Kontext von Taubblindheit/Hörsehbehinderung, Kommunikation, Information, Rehabilitation, Recht, Psychologie und das Assistenten-Selbstverständnis stehen, vermittelt.
Das Buch schließt mit einer sehr umfangreichen und regional unabhängigen Zusammenstellung von Kontakten, Adressen, Institutionen und Einrichtungen ab.
Das aufmerksame lesen des Autorenteils, offenbart die eigentliche Qualität und Leistung dieses Buches. Interdisziplinär, institutsunabhängig, praxiserfahren, selbstbetroffen, deutschlandweit und international gut vernetzt wurde dieses Werk verfasst.
Fazit: Ein lesenswertes Buch, nicht nur für die Ausbildung, sondern auch als erster informativer Ratgeber für alle, die Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung in Familie, Beruf, Freizeit und Schule begleiten und unterstützen.
Torsten Burkhardt (Potsdam)
aus HörPäd 2/2016